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Trittsicher durchs Leben

In welchen Fällen Klauenrehe, Mortellaro und die Klauenfäule besonders häufig auftreten, erläuterten René Pijl, Jever sowie Prof. Hermann Swalve und Hatem Alkhoder, Halle, im letzten Teil der dlz-agrarmagazin-Serie Klauengesundheit. In dieser Folge berichten sie über den Weiße Linie Defekt, das Klauensohlengeschwür sowie die Rotation der Klaue.





Sprunggelenke (l.) und Tylome (r.)
– hier durch einen Klauenschnitt entlastet – gehören zu den Klauenerkrankungen, die nicht auf allen Betrieben Schwierigkeiten machen, da es betriebsspezifische Unterschiede gibt.

Bei der Klauengesundheit gibt es durchaus betriebsspezifische Unterschiede. So haben einige Betriebe mit einer und mehreren Klauenerkrankungen zu kämpfen, die anderen wiederum keine oder wenige Schwierigkeiten macht. Dazu zählen Weiße Linie Defekte, Tylome und dicke Sprunggelenke. Die Klauensohlengeschwüre treten in dieser Auswertung nur selten auf, da sich diese durch einen regelmäßigen, korrekten Klauenschnitt vermeiden lassen und viele Betriebsleiter zwischen den halbjährigen Pflegeterminen die eventuell lahmenden Kühe selber pflegen. Rückmeldungen der Betriebe zeigen, dass bei der richtigen Pflege zwischendurch nur wenige Leiden auftreten. Zudem treten beim ersten Besuch zur Klauenpflegen die höchsten Raten an Erkrankungen auf. Nur bei einigen „altersbedingenden“ Leiden, wie Klauengeschwüren, Tylomen und dicken Sprunggelenken, sind leichte Anstiege wahrzunehmen. Wäre kein prophylaktischer Klauenschnitt vorgenommen worden, wäre die Rate allerdings noch deutlich höher gewesen. Die sechs am meisten vorkommenden Klauenleiden werden durch eine regelmäßige Pflege stark reduziert.


Kein Unterschied
Der Weiße Linie Defekt wird vermutlich durch unsachgemäße Klauenpflege und/oder ein Defizit an Biotin am Ende der Verdauung ausgelöst. Die „Halbbruderschaft“ mit der Klauenrehe sollte allerdings nicht vergessen werden. Beim Weiße Linie Defekte lassen sich in den verschiedenen Beschaffenheiten der Boxen keine großen Unterschiede feststellen (siehe auch „Boxen haben Einfluss“). Die häufigsten Fälle treten bei Gummimatten ohne Einstreu auf. Auch bei den unterschiedlichen Formen des Weidegangs zeigen sich kaum Unterschiede (siehe auch „Weidegang hilft“). Die Erkrankungsrate steigt relativ gleichmäßig mit dem Alter der Milchkühe an


Weiße Linie Defekt, Score 3: Von der Sohle bis zum Kronensaum ist das Wandhorn geöffnet und die Lederhaut stark nekrotisiert.

(siehe auch „Gleichmäßige Entwicklung“). Der etwas höhere Anteil bei den Erstkalbinnen ist darauf zurückzuführen, dass die Jungtiere häufig sehr schnell, sehr hohe Leistungen bringen. Vor allem die oft schnell erhöhte Ration bringt viel Stress im Verdauungstrakt. Das Kraftfutter spielt hier eine große Rolle, da die Tiere sehr schnell von so gut wie gar keinem Kraftfutter auf einen hohen Kraftfuttergehalt gebracht werden. Das Laktationsstadium spielt beim Weiße Linie Defekt hingegen keine Rolle.









Gewicht ist gewichtig
Vom Klauensohlengeschwür sind hinsichtlich der Liegeflächenbeschaffenheit meistens Kühe betroffen, die auf einer Gummimatte ohne Einstreu gehalten werden, direkt gefolgt von Tieren auf Beton mit Stroheinstreu und Matratzen mit Stroheinstreu. Die wenigsten Erkrankungen finden sich auf Matratzen und Sägemehl. Die Unterschiede sind allerdings nicht groß. Eindeutiger ist dies beim Beweidungssystem. Wie zu erwarten war, ist bei ganztägigem Weidegang der Befall mit Klauensohlengeschwüren am geringsten. Der nachgebende Boden ist von ausschlaggebender Bedeutung. Die Lederhaut zwischen Sohle und Klauenbein wird erheblich weniger gequetscht. Dies sorgt für eine schlechtere Durchblutung. Platzt ein Gefäß und lagert sich Blut in den umliegenden Bereichen ab, ist in den meisten Fällen ein Geschwür nicht mehr zu vermeiden und Klauensohlengeschwüre folgen.




Klauensohlengeschwür im Anfangsstadium.



Rotation der medialen Hinterklaue,
bei einer stark pigmentierten Sohlenfläche.


Das Wachstum der Sohlenfläche der Außenklaue wird, da die Klaue beim Weidegang in die Erde eindrückt, weniger gefördert. Somit wird der Höhenunterschied zwischen Innen- und Außenklaue der Hintergliedmaßen nicht so groß. Dadurch ist zudem die Belastung auf der Lederhaut im Hornschuh geringer. Das Wachstum des Sohlenhorns wird weniger angeregt. Ein zusätzlicher Vorteil ist vermutlich, dass die Kühe sich nach Belieben hinlegen können und damit frei von jeglicher Berührung mit unerwünschten Nachbarinnen sind. Tiere, die brünstig sind, können besser ausweichen und wenn sie aufspringen, ist die Belastung auf den beiden Hinterbeinen durch das Nachgeben des Bodens viel geringer als auf Beton. Eindeutig ist auch, dass das Risiko von Klauensohlengeschwüren mit dem Alter der Tiere steigt. Mit zunehmendem Alter wird das Fettpolster im hinteren Bereich der Sohlenfläche häufig zur Seite und/oder zum Teil platt gedrückt und verliert so seine wichtige Stoßdämpferfunktion. Ein Klauensohlengeschwür entwickelt sich nicht von heute auf morgen (siehe auch „Tiergewicht gibt Ausschlag“). Es dauert mehrere Wochen, bis ein Klauensohlengeschwür sichtbar wird. Noch länger dauert es, bis das Tier lahmt. So lässt sich erklären, dass die meisten Klauensohlengeschwüre zwischen dem 100. und 150. Tag nach der Kalbung liegen. Bei einem Hochleistungstier ist auch die tägliche Gewichtsschwankung enorm. Eine 60-l- Kuh wiegt nach jedem Melken 30 kg weniger als vor dem Melkgang und diese Belastung ruht nur auf den Hinterbeinen, weil das Euter zwischen ihnen hängt. Hinzu kommt, dass die Sprunggelenke nach außen gedrückt werden, wenn das Euter voll ist. Es wird die so genannte Fassstellung eingenommen. Hierdurch werden wiederum die äußeren Hinterklauen stärker belastet. Die hormonellen Verhältnisse spielen bei dieser Erkrankung ebenso eine Rolle wie der regelmäßige Klauenschnitt. Die halbjährige Klauenpflege ist immer noch die beste Methode Sohlengeschwüre zu vermeiden. Auch wenn einige Tiere dann nicht zum optimalen Zeitpunkt beschnitten werden. Daneben spielt auch der Treibweg eine entscheidende Rolle und die Art und Weise wie die Tiere zum und vom Melkstand geholt werden. Kühe, die „getrieben“ werden, haben erheblich öfter Probleme mit Klauensohlengeschwüren. Das durchschnittliche Lauftempo der Kuh liegt bei 2,5 km/h – die Kuh ist also nur halb so schnell wie der Mensch.



Von klein auf geprägt
Über die Rotation der inneren Hinterklaue ist bis heute nur wenig bekannt. Daher ist es auch schwierig, die großen Unterschiede bei den verschiedenen Liegeboxen- beschaffenheiten zu klären. Die einzige Erklärungsmöglichkeit ist, das sich dieses Leiden bereits in der Aufzucht etabliert. Die Untersuchung legt diesen Verdacht nahe. Allerdings kann es auch reiner Zufall sein, das gerade Jungtiere in solchen Betrieben mit derartigen Liegebuchten am häufigsten betroffen sind. Überraschend ist, dass gerade in den Betrieben, in denen die Kühe den meisten Weidegang haben, die Rotation der medialen Hinterklaue besonders häufig auftritt. Auch hier könnte der Auslöser sein, dass gerade die Jungtiere eine komplett andere Haltungsform mit Beweidungssystem geboten bekommen als die Milchtiere. Immer häufiger kommen Kälber und Jungtiere nicht mehr oder nur sehr kurz auf die Weide. Viele Jungtiere werden im ersten Lebensjahr nur noch auf Spaltenboden gehalten. Zudem kann eine natürliche Korrektur einer von Rotation betroffenen Klaue über das Wachstum, mit Unterstützung eines Klauenschnitts, bis zum vierten Lebensjahr stattfinden. Erst dann ist der Aufbau des Hornschuhs abgeschlossen – im Gegensatz zum Knochenaufbau, der im Alter von drei Jahren und zwei Monaten beendet ist. Mit zunehmendem Alter nimmt die Rotation ab. Da die Untersuchung in Herden mit regelmäßiger Klauenpflege gemacht wurde, ist es schwer zu sagen, welchen Einfluss das Unterlassen einer Klauenpflege und welchen Einfluss das Alter hat. Der tendenzielle Rückgang im Laufe der Laktationen, kann mit dem zunehmenden Alter zu tun haben. Bei einem Halbjahresschnitt kommt eine Kuh während einer Laktation zudem zweimal in den Pflegestand. Während dieser Zeit haben sich mehrere Tiere bereits von der Krankheit erholt. Beim ersten Pflegeschnitt im Alter von ungefähr zwei Jahren lässt sich die Bildung des Hornschuhs in der Entwicklungsphase besser korrigieren.


Fazit
Die Beschaffenheit der Liegeboxen hat einen ebenso deutlichen Einfluss auf die Klauengesundheit wie der Weidegang. Daneben spielen aber auch das Alter der Kuh und das aktuelle Laktationsstadium eine bedeutende Rolle, denn im Laktationshoch schwankt das Gewicht einer Kuh im Laufe des Tages erheblich und führt zu enormen Belastungen der hinteren Gliedmaßen. Dies kann Klauensohlengeschwüre zur Folge haben. Des Weiteren sind auch der Hormonzyklus, der Stress und damit der Komfort einer Kuh entscheidend für die Klauengesundheit des Tieres.


Der Autor dieses Beitrags, René Pijl aus Jever, arbeitet als Klauenpfleger. Prof. Hermann Swalve ist als Genetiker an der Universität Halle tätig und wird von Hatem Alkhoder bei seiner Arbeit unterstützt. In den kommenden Folgen der Serie Klauengesundheit werden der Einfluss der Zucht und der Lebensleistung auf das Krankheitsgeschehen genauer betrachtet.


Den Artikel können Sie sich hier herunterladen.



René Pijl . Klauenpfleger Meister . Fischershäuser 1 . 26441 Jever . E-Mail: r.pijl@t-online.de . Telefon: 04461-6863 . Fax: 04461-6988