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Die HF-Kuh auf dem Laufsteg |
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- Der Klauenwinkel wird kleiner, die Dorsalwandlänge nicht länger,
die Sohlenfläche aber schon
- Verwechseln wir vielleicht unsere Vorstellungen von Mensch
und Tier?
- Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse sind wir dabei,
bewusst eine milchtypische, aber fußkranke Kuh zu züchten.
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Der Blick in die Zukunft ist ungewiss
(Foto Pijl)
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Nun, da wir in den letzten 50
Jahren unser Wissen bezüglich Klauengesundheit (Klauenleiden) bei
Rindern erheblich erweitert haben, sollte uns bei Missständen eine
Analyse wesentlich leichter fallen. Wahrscheinlich geht alles zu
schnell, vieles können wir nicht mehr so einordnen, wie gewohnt.
Klauen in
Stellung
Einer der
wichtigsten Punkte ist die Erkenntnis, dass das Rind beim Landen mit den
Hintergliedmaßen zunächst mit den Ballen der beiden Klauen eines Beins
gleichzeitig auf der Erde auftritt. Früher dachte man, das Rind würde
immer mit der ganzen Sohlenfläche auftreten. Das trifft jedoch nicht zu.
Dieser physiologische Ablauf wurde bei der Selektion zu wenig beachtet.
In der Tat wird die HF-Kuh bewusst auf eine weniger steile Stellung der
Klauen gezüchtet, weil das Geläuf dadurch schöner anzuschauen ist. Der
Klauenwinkel wird kleiner, die Dorsalwandlänge nicht länger, die
Sohlenfläche aber schon. Somit verursacht der hintere Rand des
Klauenbeines mit dem Tuberculum Flexorium (Vorsprung am Klauenbein) eine
übermäßige Druckbelastung auf und im Fettpolster. Der Vorsprung
schneidet beim Aufprall auf eine harte (betonierte) Lauffläche wie ein
Messer in das Polster hinein.
Einerseits kann es zum
Fettabbau im Hornschuh kommen. Bei sehr vielen jüngeren Tieren kommt es
allerdings gar nicht erst zum kompletten Aufbau des Fettpolsters, weil
dieses Prozedere aufgrund der negativen Energie-Bilanz andauernd
unterbrochen wird. Kurz
zusammengefasst: Jeder Aufprall der Klaue auf einem harten Boden wird
wehtun. Jeder Aufprall birgt die Gefahr, ein Loch im Fettpolster zu
verursachen. Dieses Loch kann sich nicht wieder regenerieren. Diese
Gefahr droht beiden Klauen eines Unterfußes. Ein Klotz kann in diesem
Fall keinen Erfolg bringen.
BCS und
Klauengesundheit
Wiederholt sind enge und statistisch gesicherte Zusammenhänge zwischen
der Klauengesundheit und dem BCS der Kuh aufgezeigt worden. Für alle
untersuchten Klauenleiden, 17 an der Zahl, wobei die acht häufigsten
Krankheiten hervorgehoben sind, gilt eine statistische Signifikanz von
1. Mit dem Faktor N=3643.
Deutlich zu unterscheiden sind Lahmheit und
Klauenleiden. Eine Lahmheit muss nicht immer mit einem Klauenleiden
zusammenhängen. Meistens zeigt das Tier keine Lahmheit, obwohl es von
einem Klauenleiden betroffen ist. Diese Auswertungen beziehen sich auf
das Vorkommen von Klauenleiden. Ist ein Tier gleichzeitig an beiden
Hinterbeinen erkrankt und lahm, wird es keine unmittelbar sichtbare
Lahmheit zeigen können.
Die Annahme, dass eine Kuh an Körperkondition
verliert, wenn sie lahm ist, gilt nur für einen gewissen Teil. Eine
geringe bis mittelgradige Lahmheit geht nicht direkt zusammen mit dem
Einschmelzen von Körperkondition. Eine hochgradige Lahmheit fängt in den
allermeisten Fällen mit einer leichteren Stufe an. Wird nicht
gegengesteuert, kann sie sich weiterentwickeln. Fazit: Wir sind schuld
und nicht die Kuh. Die
Fragestellung lässt sich umkehren: Ist die Kuh (zu) mager und wird
dadurch lahm? Die
Argumente für diese letzte Theorie verdichten sich immer mehr.
Wunschgedanken
Wir sollten uns die Frage nach unserem Wunschbild
stellen. Wir möchten ein Tier, das Milch bringt und kein Fleisch. Und
siehe da: der Wunsch ist erfüllt. Aber zu welchem Preis?
Ein weiterer Wunschgedanke: Schlank soll das Tier
sein. Schlank und milchtypisch. Das Tier geht zur Schau und wird nach
diesen Wünschen eingestuft. Fast könnte man die Kühe mit unseren jungen,
schlanken Models auf dem Laufsteg vergleichen. Reden wir hier lieber
nicht von milchtypisch. Verwechseln wir vielleicht unsere Vorstellungen
von Mensch und Tier?
Fazit
Der weiche Gang hat ohne
Zweifel keinen positiven Effekt auf die Gesundheit des
Bewegungsapparates der Kuh. Es sei denn, das Geläuf zeigt sich eher
geschmeidig. Die Körperkondition der Kuh hängt unmittelbar mit der
Klauengesundheit zusammen. 82 Prozent der HF-Kühe erreicht in den
Betrieben die Wunschscore von 2.75 nicht. Zu wenig oder kein BCS und
Fettpolster im Hornschuh bedeuten das Ende für unsere HF-Kuh - gerade in
der modernen Haltungsform. Diese „Stoßdämpfer“ und „Puffer“ im Hornschuh
sind nicht ausreichend vorhanden. Vielleicht übertragen wir unsere
eigenen Wunschgedanken auf die Kuh. Zusammengefasst: Vor dem Hintergrund
dieser Erkenntnisse sind wir dabei, bewusst eine milchtypische, aber
fußkranke Kuh zu züchten. Wenn das so ist, sind wieder wir schuld an dem
Drama - und nicht etwa die Kuh.
Bild: René Pijl
Text: René Pijl |
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