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Die Afterklaue, ein „wachsendes“ Problem.
 
gesunde Afterklaue Die Afterklauen der Kuh sind für viele Personen Körperteile am Unterfuß mit wenig Bedeutung. Die Frage nach ihrer Funktion können viele nicht beantworten. In der freien Wildbahn brauchen Afterklauen keine Pflege, zeigen kein Wachstum oder Verschmutzungen. Anscheinend hinterlässt also die moderne Haltung und Fütterung negative Spuren.
Ein paar gesunde und saubere Afterklauen, an denen die Identität mit einem Hornschuh zu erkennen ist.
(Foto Pijl)
 

Der Engländer nennt sie „dewclaws“, der Holländer „bijklauen“. Nimmt man die Übersetzung wortwörtlich, sind wir uns nicht genau einig über die Funktion und die Einstufung der Funktionalität. So deutet die holländische Bezeichnung auf eine Nebensächlichkeit hin: Hängt eben so mit dran. Im früheren deutschen Sprachgebrauch war die Rede von Afterzehe.
Auf die Frage nach der Funktionalität der Afterklaue, kommen nicht viele sinnvolle Antworten. Geschweige denn die Aussage: Ohne sie würde der Unterfuß bescheiden aussehen. Es kommt ganz darauf an, wie lange jemand nur mit Tieren ohne Afterklauen konfrontiert wurde. Oder ob diese Person überhaupt schon einmal einen Unterfuß mit Afterklauen gesehen hat. Die offensichtlichste Funktion stammt aus jener Zeit, in der das Rind noch ein Steppentier war. In leicht nassen Niederungen, die mit saftigem Gras lockten, schützen die Afterklauen vor zu tiefem Einsinken.
Zunächst soll darauf eingegangen werden, wie eine gesunde Afterklaue auszusehen hat. Auch hier gilt der Regel des Normalen. Leider finden wir in Milchviehbetrieben immer mehr die anormale verwachsene, kranke und verdreckte Form.
Man stelle sich ein Tier vor, wie auf dem Aufmacher Bild, das über mehr als sieben Monate nicht mit Kot auf dem Fußboden und einer Stallhaltungsform in Kontakt gewesen ist. Es stand nicht unter Leitungsdruck. Die Ernährung bestand aus frischem Gras. Das Jungtier war weiblich und in einem Alter von 26 Monaten. Einen Winter lang hat es auf einem Spaltenboden verbracht, weder Leistungsfutter noch Mais gefressen. All diese Faktoren haben Einfluss auf nicht beschnittene Klauen und Afterklauen.

 
beschnittene Afterklaue Afterklaue beschnitten
Klauen und Afterklaue sind beschnitten. Links ein paar gesunde Klauen aus der Sohlenansicht. Rechts eine innere Afterklaue am Hinterbein. Die Ähnlichkeit, gerade bezüglich Wand und Weißer Linie, sind deutlich zu erkennen. (Fotos Pijl)
 
Ein wenig abstrakt betrachtet, kann man die groben Strukturen eines Hornschuhs an den Afterklauen erkennen. Zumindest bei einer nicht „angetasteten“ Form. Der Schuh sollte ein wenig, ungefähr 90 Grad, in Gegen- oder Uhrzeiger gedreht werden. Die wandartige Struktur, die etwas fester ist als das Innere, befindet sich immer an der für das Tier empfindlichere Seite vom Bein. Weg vom Medialen, hin zur Außenseite der Achse vom Bein.
Es fällt auf, das im Gegensatz zur größeren Außen-Hinterklaue, die innere Afterklaue größer ist als die danebenliegende. Auch wenn keine Abweichungen in der Struktur wahrzunehmen sind, könnte man behaupten: die Paargrößen der Afterklauen liegen diagonal zu den Klauen. An den Vordergliedmaßen ist es genau umgekehrt, aber die Diagonale bleibt bestehen. Zusätzlich sollte man erwähnen: die Afterklaue hat keine direkte Knochenverbindung zum Röhrbein oder einem darunterliegenden Knochen. Sie „hängt“ mehr oder weniger in der Haut. Und ist deshalb sehr leicht zu beeinflussen in ihrer Position - wenn sie verdreckt ist und wesentlich länger oder schwerer wird.
 
Kot als Stichwort 
Durch den täglichen Kontakt mit Kot verändert sich nicht allein die Struktur im Hornschuh, sondern auch die in der Afterklaue. Zwar ist die Kontaminierung dort nicht so hoch wie an den Klauen, aber beim Liegen ist die untenliegende Afterklaue lateral schwerer behaftet als ihr Umfeld. Das oben liegende Bein mit der oberen Afterklaue wird an der lateralen Seite der Innenafterklaue also schwerer betroffen sein. Ist der Kot wegen der Futterration klebriger, wird sich gerade im Unterfußbereich mehr davon absetzen.
Die Afterklauen werden schwerer, das Tier nimmt ein schonendes Geläuf an. Weil, wie bereits erwähnt, die Bei-Klaue ohne feste Verbindung nur in der Haut verankert ist.
Es ist nicht wegzudiskutieren: Je größer der Knoten, desto mehr Einschränkungen beim Laufen.
Und umso weniger wird der Hornschuh mit unentbehrlichem Sauerstoff versorgt. Welche Schäden Kot am Hornschuh anrichten kann, ist bekannt. Weniger bekannt ist leider, was die Afterklauen zu erleiden haben.  Kommt beim Einstreuen zusätzlich noch Kalk ins Spiel, haftet mehr und mehr Kot an den Klauen..
verdreckte Afteklaue 
Afterklauen, die extrem verdreckt sind. Die Spitze wurde abgenommen, um die Stärke der Verschmutzung zu zeigen.
(Foto Pijl)
  
In der Praxis wird deutlich, dass es immer mehr Arbeit an den Afterklauen gibt. Sie werden immer öfter und stärker verdreckt, besonders besorgniserregend ist, dass sie immer weiter wachsen, länger und größer werden.
Es ist keine Ausnahme, bei Erstkalbinnen alle vier After-Klauen an einem Unterfuß beschneiden zu müssen. Rückmeldungen von Melkgeschirren, die mit den Afterklauen abgetreten wurden, sind keine Seltenheit. Obwohl sie bisweilen das Vierfache ihrer Größe annehmen, stehen sie nicht im Buch der Rekorde..
   
extrem lange Afterklauen  Die Afterklauen sind extrem lang, genau so lang wie die Klauen. In diesem Fall können mindestens drei Viertel entfernt werden. Das „Leben“ wächst nicht mit – und besonders bei Krankheiten nur in sehr geringem Maße.
(Foto Pijl)

  
Wie bei ihren größeren Brüdern, den Klauen, können sich mehrere Klauenleiden festsetzen. Zum Beispiel die Klauenrehe, Wandläsionen und die Mortellaro’sche Krankheit. Am Häufigsten, gerade bei Fällen starker Verschmutzung, tritt die Klauenrehe auf. Und zwar in der bröckligen Form, bei der die zusammenhängende Struktur völlig verloren gegangen ist. Das Horn lässt sich mit einem stumpfen Messer aus der nicht härteren Wandschicht wegkratzen. Die meist knüppelharte Kotschicht nicht. Fälle von Blutabsetzungen werden leider sehr oft nicht registriert von den Pflegern. Auf Dauer sind sie aber genauso schädlich für die Fundamente.
Es springt immer mehr ins Auge: der Kot richtet mehr Schäden an der Haut am Unterfuß an, als bisher angenommen wurde. Die Menge des Kots scheint dabei nicht die Hauptrolle zu spielen. Es ist eher die Substanz und in vielen Fällen die Konsistenz. Ist der Kot klebrig, ist es selbstverständlich, dass die Masse „anhängt“. Nicht kuhgerechte Komponenten im der Futterration bringen zwangsläufig eine andere Kotzusammensetzung. Sind Ställe überbelegt und gleichzeitig stehen wenige Quadratmeter pro Tier zur Verfügung, werden mehr Fundamentprobleme registriert. Spaltenschieben, in welcher Form auch immer, bringt etwas sauberere Gliedmaßen, vor allem an den Unterfüßen. Leider lässt aber der Gesamtdruck nicht nach. Bezüglich der Mortellaro’schen Krankheit könnte man sogar behaupten, dass die Keime hierdurch noch viel besser im Stall verbreitet werden..
stark verklebte Knoten aus Kot   Mortellaro’sche Krankheit oder eine „Non healing Lasion“ in der Afterklaue.  
Der stark verklebte Knoten aus Kot etc. wurde entfernt, Schimmelbildung ist zu erkennen. D.D. Läsion in der Fessel.
(Foto Pijl)
  

Mortellaro’sche Krankheit oder eine „Non healing Lasion“ in der Afterklaue.

(Foto Pijl)
 
Auch Klauenrehe ist an der an der Afterklaue zu sehen.    
Auch Klauenrehe ist an der an der Afterklaue zu sehen.
(Foto Pijl)
    
 
 
Ein anderes Phänomen bleibt die „schlecht heilende“ Hornschuhläsion (Non healing claw lesion). Des Öfteren habe ich darüber berichtet. Sie kommt an allen Stellen des Hornschuhs vor, in allen verschiedenen Stufen. Sie ist ein noch ziemlich unbekannter und äußert aggressiver Angriff auf die Haut und hat sehr schmerzhafte Folgen. Auch dieses, für sich stehende Leiden macht keinen Halt vor den Afterklauen. Der eingeschränkte Gang lässt vermuten, dass die Tiere auch hier große Schmerzen spüren.
Weil noch sehr wenig über dieses Thema geschrieben wurde, sind wenige Fakten bekannt. Ob die Zucht hier eine Rolle spielt, ist schwer zu sagen, weil diesbezüglich keine Daten erhoben wurden. Eine beunruhigende Beobachtung habe ich vor kurzem in zwei verschiedenen Betrieben gemacht. Hier habe ich zwei Tiere angetroffen, die an beiden Vorderbeinen jeweils nur eine Afterklaue hatten. Es stellt sich die Frage, ob dies wie der Mullfood (Einhufigkeit) einzustufen ist, die vor 20 bis 30 Jahren auftrat. Diese stellte sich damals als Erbkrankheit heraus. Beruhigend zu wissen, dass diese beiden Tiere weder von väterlicher noch von mütterlicher Seite her verwandt sind. Ob die Väterliche Linie sich irgendwo mal kreuzen ist nicht bekannt.   An beiden Vorderbeinen fehlt jeweils die innere Afterklaue.  
An beiden Vorderbeinen fehlt jeweils die innere Afterklaue. (Foto Pijl)
    
  
 
Was liegt vor uns?  
 
Bei Tieren mit einem starken Wuchs an der Afterklaue sollte diese auf jeden Fall beschnitten werden. Obwohl wir schon viele Jahre wissen, dass nach dem Beschneiden die Afterklaue schneller wächst. Wenn also kein Grund besteht, die Afterklaue zu beschneiden, sollte man es grundsätzlich unterlassen.
Das Schneidewerkzeug, Messer, Tange oder Flex, sollte mit einem Winkel von 45 Grad angesetzt werden. Seitlich von links und rechts. Die äußere Afterklaue am rechten Bein sollte in der Schräge von rechts nach links beschnitten werden. Die innere Afterklaue genau umgedreht. Den tiefsten Schnitt setzt man in den Zwischen-Afterklauen-Spalt. Stehen an diesem noch einige Millimetern über, sollte der Schnitt beendet werden. Der Winkel hat wiederum große Ähnlichkeit zu dem Winkel der Klaue. 
 
Fazit:
Die Afterklaue am Unterfuß scheint leider nicht nur an Bedeutung im Feld zu gewinnen. Der Verschmutzungsgrad an der Klaue wird immer stärker. Mehr und mehr Stoffe werden eingesetzt, um den Keimdruck auf der Liegefläche zu reduzieren. Meistens mit der Folge, dass der Kot mehr und schneller antrocknet und Knoten bildet. Die Kotsubstanz trägt selbstverständlich dazu bei. Auch ein Hornschuh muss atmen können. Da die Durchblutung am Unterfuß der Hintergliedmaßen sowieso schon leicht in Gefahr ist, kann man sich vorstellen, dass auch die Afterklaue hierunter zu leiden hat. Eine schlechtere Durchblutung bedeutet gleichzeitig ein geringeres Angebot an Nähstoffen für die Lederhaut.

Eine Afterklaue kann genau wie ihren großen Bruder „ausschuhen“. bitte rote Pfeil an linker Afterklaue beim Ansatz. 

 

Eine Afterklaue kann genau wie ihren großen Bruder „ausschuhen“.

(Foto Pijl)
  
   
Autor: René Pijl
Bilder: René Pijl

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René Pijl . Klauenpfleger Meister . Fischershäuser 1 . 26441 Jever . E-Mail: r.pijl@t-online.de . Telefon: 04461-6863 . Fax: 04461-6988