Im ersten Teil dieser Serie berichtete Klauenexperte René Pijl, Jever, unter anderem über Klauenrehe, Mortellaro und Tylome. Im zweiten Teil erläutert er, wie Zwischenzehen-Phlegmone, Heel Ulcer und Co. zu erkennen und zu behandeln sind.
Die Praxis zeigt, wie wichtig es ist, auch während der Klauenpflege Daten zu registrieren und an die Kuhstammdaten zu koppeln (siehe auch dlz agrarmagazin April 2007, ab S. 132 "Klick für Klick zum richtigen Schritt“). Wie wichtig die richtige Diagnosestellung ist, braucht gar nicht erst angesprochen zu werden. Das steht an der ersten Stelle. Doch häufig haben Personen „Lieblingskrankheiten” oder mehrere Klauenleiden treten gleichzeitig auf. Die folgenden Krankheitsabrisse sollen helfen, die richtige Diagnose zu stellen.
Ist die weiße Linie im Bereich des
Zwischenzehenspalts unterbrochen,
liegt eine axiale Wandfissur vor.
Axiale Wandfissur Klinische Merkmale: Bei der axialen Wandfissur ist im Bereich des Zwischenzehenspaltes dort, wo die weiße Linie der Sohlenfläche in Richtung Zwischenklauenhaut abbiegt die weiße Linie unterbrochen. Dies ähnelt dem Weiße Linie Defekt. Beschreibung: Tiere mit diesem Leiden haben häufig gleichzeitig eine Krümmung in der Zehenspitze des Hornschuhs der betroffene Klaue. Es liegt damit auf der Hand, dass die axiale Wandfissur mit einer Spannung, die aufgrund dieser Krümmung im vorderen Bereich des betroffenen Hornschuhs auftritt, zusammenhängt. Therapie: Es gilt, hier für eine Entlastung des Hornschuhs vor allem im Zehenspitzenbereich zu sorgen. Die Stelle sollte möglichst nicht zu dünn geschnitten werden. Die Kühe sind in diesem Bereich der Sohlenfläche sehr empfindlich, da hier kein Fettpolster vorhanden ist. Die korrekte Klauenstellung muss hier groß geschrieben werden, um ein erneutes Auftreten der Krankheit weitestgehend auszuschließen.
Eine Zwischenklauen-Phlegmone entsteht durch das Eindringen von Bakterien unter die Unterhaut.
Zwischenzehen-Phlegmone
Klinische Merkmale: Bei der Zwischenzehen-Phlegmone kommt es zu einer sehr schnellen Schwellung des Unterfußes. Spätestens 76 Stunden nach dem Befall öffnet sich die Zwischenklauenhaut. Auf der Frontseite oder in der Fesselbeuge ist eine starke, rötliche Entzündung zu erkennen. Beschreibung: Es liegt eine bakterielle Entzündung im Zwischenzehenbereichvor. Dabei handelt es sich nicht um ein Klauenleiden, sondern um eine Unterfußkrankheit. Dafür ist das Fusobakterium Necrophorum verantwortlich. Dieses vermehrt sich sehr schnell, allerdings nur unter der Lederhaut. Es tritt eine explosionsartige Entzündung auf, die eine massive Therapie verlangt. Tiere, die keine Abwehr gegen einen der neun verschiedenen Bakterienstämme haben oder geschwächt sind, haben ein erhöhtes Infektionsrisiko. Therapie: Hier hilft nur die Injektion eines vom Tierarzt verschriebenen Mittels.
Bei vertikalen Wandrissen gilt es,
die Ränder abzutragen und der
Klaue Entlastung zu verschaffen.
Vertikaler Wandriss
Klinische Merkmale: Beim vertikalen Wandriss ist auf einer der oder seltener auf beiden Dorsalwände ab dem Kronensaum, meistens nahe des Zwischenzehenspalts, ein vertikaler Riss in Richtung der Zehenspitze zu sehen. Beschreibung: Ab dem Kronensaum hat sich aus ungeklärter Ursache ein vertikaler Riss gebildet, der in der Anfangsphase keine Schmerzen verursacht. Nach einer gewissen Zeit ist der Bruch an der Lederhaut angekommen und bildet dort eine Entzündung, die heftige Schmerzen hervorruft. Die Tiere lahmen extrem und verlieren rapide ihre Kondition. Oft ist das Leiden im frühen Stadium schlecht zu erkennen, da die Dorsalwände meistens verdreckt sind. Therapie: Zunächst muss die erkrankte Klaue entlastet werden. Hier ist meistens eine Prothese erforderlich. Dann werden die Ränder direkt am Riss soweit verdünnt, dass sie keinen Druck mehr auf die kranke Stelle, also die Lederhaut, ausüben. Ein vertikaler Wandriss verlangt viel Geduld, denn nach einer korrekten Therapie dauert es mehrere Monate, bis die Stelle vom Kronsaum her wieder rangeschoben ist.
Eine halbmondförmige Rundung
ist oft ein Zeichen für das
Heel Ulcer. Sie ist in diesem
Fall nicht zu sehen.
Heel Ulcer
Klinische Merkmale: Ungefähr auf der gleiche Ebene, aber zwischen einem Klauensohlengeschwür und einem Weiße Linie Defekt, bewegt sich das Heel Ulcer. Meistens tritt es in Form einer halbmondartigen Rundung mit dem Bogen nach oben auf. Ein Klauengeschwür ist häufig eine kreis-umrandete Entzündung. Beschreibung: In den meisten Fällen ist ein Riss zu sehen, der, wenn tiefer in die Sohle herein geschnitten wird, am Übergang von Sohlen- und Ballenhorn auf der Lederhaut beginnt. Wahrscheinlich wird dieses Leiden durch einen Reiz in der Lederhaut verursacht, hervorgerufendurch eine Fehlstellung beim Stehen und Laufen. Die tiefe Beugesehne wird heftig gezerrt und bringt eine ständige „Unruhe“ in den hornbildenden Schichten. Die Krankheit tritt relativ häufig in Kombination mit einer Rotation der inneren Hinterklaue und mit Klauenrehe, die lange Zeit nicht therapiert wurde und dadurch eine Fehlstellung der Klaue entstehen ließ, auf. Therapie: Wichtig ist die Entlastung der erkrankten Klaue sowie ein zusätzliches Entlasten der betroffenen Stelle. Die Ränder müssen im direkten Umkreis der Stelleweitestgehend verdünnt werden.
Bei der Zehenspitzenentzündung
muss die Bruchstelle ganz
entfernt und oft eine Prothese angebracht werden.
Zehenspitzenentzündung
Klinische Merkmale: In der Sohlenfläche ist bei einer Zehenspitzenentzündung an einer der beiden Zehenspitzeneine Trennung oder Entzündung im Sohlenhorn und/oder im Wandhorn zu erkennen. Häufig ist allerdings nur ein kleiner schwarzer Streifen zu sehen. Beschreibung: Vermutlich ist es so, dass sich diese Art von Riss nicht an der Lederhaut im Hornschuh entwickelt, sondern von außen nach innen entsteht. Solange die Lederhaut noch nicht in Mitleidenschaft gezogen ist, ist noch keine Lahmheit zu bemerken. Lahmt das Tier sehr stark, ist die Entzündung an der Lederhaut angekommen. Therapie: Der übliche Klauenschnitt sollte bei einer Zehenspitzenentzündung dem Fünf-Punkte-Schema folgen. Den Abschluss bildet dann das Entfernen der kompletten Bruchstelle. Wenn es vermieden werden kann, sollte die Lederhaut möglichst nicht berührt werden. Ist dies unumgänglich, ist meistens eine Prothese für eine kurze Weile notwendig. Empfehlenswert ist es auch, für einige Tage einen Verband mit einer schonenden, nicht ätzenden Salbe einzusetzen.
Hier ist im Zehenspitzenbereich
eine stark nekrotisierende
Lederhaut zu sehen.
Zehenspitzennekrose
Klinische Merkmale: Eine Zehenspitzennekrose ist eine starke Hautwucherung, die sich nach einer nicht oder nicht richtig behandelten Zehenspitzenentzündung zeigt. Der Hornschuh ist über eine größere Stelle im Zehenspitzenbereich geöffnet. Beschreibung: Die Haut im Hornschuh wird gereizt und Keime können eindringen. Die Haut reagiert. Die Natur versucht, das Problem über ein schnelleres Wachstum zu beseitigen. Je größer die Stelle wird, desto mehr Druck bildet sich und umso schneller wird die Wucherung wachsen. Die Wucherung wächst so lange, bis eine Therapie eingeleitet wird. Therapie: Zunächst muss um den Krankheitsherd alles Horn beseitigt werden, so dass im Umkreis der Krankheitsstelle kein Druck auf Haut und Entzündung mehr vorhanden ist. Eine Salbe möglichst nicht ätzend wird mit einem Verband aufgebracht und nach spätestens drei Tagen gewechselt. Zwischendurch sollte einen Tag auf den Verband verzichtet werden. Nach acht bis zwölf Tagen fällt der Pfropfen ab und die Lederhaut ist wieder geschlossen. Danach braucht das Tier mehrere Wochen, um neues Horn in ausreichender Stärke zu bilden. Die Prothese ist hier als Hilfsmittel für die nächsten ein bis zwei Monate unumgänglich.
Deutlich lässt sich der Bruch auf
der Wand erkennen.
Horizontale Wandfissur
Klinische Merkmale: Bei der horizontalen Wandfissur ist auf der Dorsalwand, meistens ab drei Zentimetern vom Kronensaum, ein horizontaler Bruch erkennbar. Häufig sind beide Klauen eines Unterfußes betroffen. Nicht immer, aber häufig sind die beiden Hinterbeine und/oder Hinter- und Vorderbeine in Mitleidenschaft gezogen. Beschreibung: Der eigentliche Bruch auf der Dorsalwand ist schon im Kronensaum entstanden. Anfangs ist der Bruch noch nicht richtig zu erkennen. Je weiter sich die Wand in Richtung Zehenspitze schiebt, umso deutlicher wird er. Wo die Wand ihre endgültige Stärke hat, ungefähr drei Zentimetern vor dem Kronensaum, wird auch der Riss deutlicher. Schiebt dieser sich weiter nach vorne, wird das Risiko, dass die Kuh anfängt zu lahmen, immer größer. Ist der Riss nur noch ein bis zwei Zentimeter von der Spitze entfernt, löst sich die Wand, wackelt und bricht ab. Eine Lahmheit ist häufig vorprogrammiert. Therapie: Wenn der Riss die Zehenspitze bis auf zwei bis drei Zentimeter erreicht hat, gilt es, den funktionellen Klauenschnitt anzulegen und zum Schluss die lose
Wand abzuraspeln. Dabei sollte aber kein Blut fließen.
Am häufigsten treten Kühe in Steine.
Daneben finden sich Nägel oder
Drahtstücke.
Fremdkörper
Ein Fremdkörper ist beim Programm „Check Point“ keine Diagnose, sondern nur eine Feststellung. Der Begriff wurde in die Datenerfassung aufgenommen, weil einige Betriebe verstärkt Probleme mit diesem Phänomen haben. Sieht man die Zahl der Fälle schwarz auf weiß auf dem Papier vor sich, wird deutlich, dass die Laufflächen verbessert oder häufiger gereinigt werden müssen.
Untypische Leiden, wie dieser
Sohlenbruch, werden unter
„Andere” erfasst.
Andere
Da es Klauenleiden gibt, die nicht regelmäßig vorkommen, wurde in „Check Point“ die Option „Andere“ eingebaut. Dieser Punkt liefert am Ende der Klauenpflege Daten darüber, wie viel Prozent der Herde von anderen als den üblichen Klauenleiden betroffen sind. Das hier gezeigte Bild, lässt einen Sohlenbruch an einer sehr untypischen Stelle erkennen. Es ist auszuschließen, dass dieses Leiden von einer Verletzung zurückgeblieben ist.