Über Punkte und Streifen in dem Hornschuh der Kuh: Krankheits-
und Abgangsrisiko |
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ZUSAMMENFASSUNG
Kleine Punkte und
Risse im Hornschuh, hauptsächlich im Sohlenbereich und in
der weißen Linie, sind wahrscheinlich Vorzeichen einer neuen
Klauenerkrankung. Diese Veränderungen werden häufig in der
Routine übersehen und vielfach erst nach einem Klauenschnitt
bei sorgfältiger Kontrolle bemerkt. Die Punkte und Streifen
sind als Ausgangspunkt von Entzündungen anzusehen, die sich
in Richtung Lederhaut ausbreiten, wo sich eine äußerst
schmerzhafte Entzündung fortsetzt. Wenn eine raumgreifende
chirurgische Behandlung ausbleibt, wird auch der Knochen
ohne große Aussicht auf Heilungbefallen. Die mögliche
Therapie beinhaltet ein großzügiges Entfernen des
überschüssigen Hornes und des darunter liegenden
Entzündungsherdes. Die Verwendung eines Klotzes oder
Verbandes helfen nicht, wenn nicht alle betroffenen
Abschnitte der entzündlich veränderten Lederhaut sorgfältig
entfernt werden. Bei umsichtiger Korrektur betragen die
Heilungschancen 60 bis 70 Prozent. Die Struktur der neuen
Hornschicht unterscheidet sich nach der Ausheilung eindeutig
von der des nicht betroffenen gesunden Horns. Die möglichen
Ursachen der Punkte und Streifen und deren Pathogenese sind
nicht bekannt. Als eine mögliche Ursache könnte der
veränderte Stoffwechsel als Folge der negativen
Energiebilanz mit den damit metabolischen und hormonellen
Veränderungen (z. B. Insulinresistenz) angesehen werden. |
EINLEITUNG Die Transitperiode der Milchkuh
beginnt drei Wochen vor und endet drei Wochen nach der Geburt. Mit dem
Ende der Trächtigkeit und dem Abschluss der Geburt beginnt die Laktation
und damit ein starker Anstieg des Energiebedarfs. Laut Gesellschaft für
Ernährungsphysiologie (GfE) beträgt der Energiebedarf einer
hochtragenden Kuh (650 kg KGW) pro Tag etwa 38 MJNEL für den
Erhaltungsbedarf und 18 MJNEL für das wachsende Kalb, Uterus und
Milchdrüsenentwicklung. Die rasch einsetzende und zunehmende
Milchleistung erhöht den Energiebedarf und beträgt bei einer Milchkuh
mit einer Tagesleistung von 30 kg/d am Ende der ersten Woche nach der
Geburt ca. 135 MJNEL pro Tag. Der sich ergebende Energiebedarf erfordert
eine Trockenmasseaufnahme (7 MJNEL/kg) von etwa 20 kg/d, die nicht
erreicht wird, sodass sich eine in der Regel lang andauernde negative
Energiebilanz (NEB) über 2 bis3 Monaten ergibt. Eine metabolische
Konsequenz dieser Stoffwechsellage ist eine ausgeprägte (zunächst
physiologische) Insulinresistenz insbesondere der Muskulatur und des
Fettgewebes. Die in diesen Organen „gesparte“ Glucose kann somit für die
Bildung von Laktose der Milch genutzt werden. Die nutritive
Unterversorgung (NEB) ist jedoch als mögliches Gesundheitsrisiko und
Mitursache der vielen Produktionskrankheiten oder „fresh cow“
Erkrankungen wie z. B. Nachgeburtsverhaltungen, Labmagenverlagerung,
Mastitis, Ketose und Lahmheiten anzusehen. Neben den klassischen
Erkrankungen der Klaue wie z.B. Sohlengeschwüre, Dermatitis Digitalis
etc. haben sich neue Veränderungen der Klaue ergeben. Punkte und
Streifen im Sohlenhorn, über die hier berichtet werden soll.
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Punkte und Streifen in der Sohle |
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Diese Veränderungen sind zunächst unauffällig und werden u. a. bei der
Klauenpflege oftmals übersehen. Es handelt sich um kleine Punkte und
Streifen in der Sohle, die über die ganze Sohle unregelmäßig verteilt
sind und auch an der Weißen Linie auftreten (Abb. 1). Die
Zehenspitze sowie die axiale Wandfissur sind weniger betroffen. Wenn es
jedoch der Fall ist, sind die Folgen gravierend. Auch am Ballenhorn
treten entsprechende Veränderungen auf. Die Punkte sind zunächst
klein wie eine Nadelspitze und die Streifen (Risse) sind unregelmäßig
und unterschiedlich lang. Sie werden meist erst sichtbar, wenn ein wenig
Sohlenhorn abgetragen wird. Sie zeigen sich an allen typischen und
untypischen Stellen der Sohle. Die meisten Punkte und Risse lassen sich,
wenn sie frühzeitig bemerkt werden, ohne größere Folgeschäden
herausschneiden. |
Abbildung 1: An der lateralen Klaue ist direkt
neben der Weißen Linie in der Zehenspitze (abaxial) ein kleiner Punkt zu
erkennen. |
(Foto Pijl)
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Es ergeben sich beim Entfernen keine
Blutungen. Schmerzen treten nicht auf, wenn die Lederhaut -
wahrscheinlich - noch nicht erreicht ist. Der zeitliche Verlauf vom
ersten Erscheinen der Punkte und Streifen bis zur Ausbildung von
Entzündungen oder eines Geschwürs ist nicht bekannt. Auch im Hinblick
auf die Pathogenese ergeben sich weitere Unsicherheiten. Übliche
Entzündungen entstehen, wenn die Lederhaut betroffen ist und wenn z. B.
der Hornschuh belastet und überlastet ist. Infektionen stellen sich ein,
wenn der Hornschuh lädiert wird und sich eine Öffnung nach außen ergibt:
Wahrscheinlich entwickelt sich die Krankheit von außen nach innen.
Die Pathogenese der Punkte und Streifen erfolgt augenscheinlich in
umgekehrter Reihenfolge. Zunächst verursachen sie keine Lahmheit und
werden nur gesehen, wenn eine entsprechende Klauenpflege erfolgt. Die
Risse und Punkte zeigen sich im Hornschuh ohne klinische Symptome und
arbeiten sich nach innen bis zur Lederhaut. Dort verursachen sie dann
die negativen Effekte wie Entzündungen und als Folge Lahmheiten, die in
der Regel sehr hochgradig ausfallen (Abb.2).
Eine Foto-Serie
zeigt den Ablauf in der Tiefe in Richtung des „Lebens“. |
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(Foto Pijl)
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(Foto Pijl)
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(Foto Pijl)
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Abbildung 2. Ein relativ harmloser Riss der
lateralen Klaue an einer sehr untypischen Lokalisation. Die Ausbreitung
der Veränderung in die Tiefe hat zu einer heftigen, noch nicht eitrigen
Entzündung geführt. |
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Diese klinischen Erscheinungen können
schon wenige Wochen nach der präventiven Klauenpflege auftreten, bei der
(noch) keine entsprechenden Spuren bemerkt wurden. Das „vorklinische“
Bild lässt sich noch weiter charakterisieren. Aufnahmen mit der
Wärmebildkamera zeigen im Bereich der Punkte und Streifen eine erhöhte
Temperatur an, die auf erste Reaktionen der Lederhaut schließen lässt
und offensichtlich noch nicht mit klinischen Symptomen verbunden ist. Es
ist zu vermuten, dass die Abweichungen noch nicht direkt an der
Lederhaut angekommen sind. Die Tiefe der Prozesse im Horn der Sohle ist
unsicher und lässt sich nur grob abschätzen. Es dürfte sich um weniger
als fünf Millimeterhandeln. Die Oberfläche der Sohle gibt verstärkt
nach, wenn sie dünner wird und sich der Prozess nach innen fortgesetzt
hat (Abb. 3). |
(Foto Pijl)
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(Foto Pijl)
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Abbildung 3.
Konventionelle Aufnahme einer Klaue (rechts) und mit der
Wärmebildkamera. Der Punkt in der lateralen Klaue (rechts) an der
abaxialen Zehenspitze zeigt, trotz der geschlossenen Sohle an der
Lederhaut, eine erhöhte Temperatur (links). |
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Wenn sich die
Veränderungen – Punkte und Streifen – fortsetzen und schließlich die
Lederhaut einbezogen wird, ergeben sich Entzündungen mit gravierenden
Lahmheiten und Abweichungen in Form heftig um sich greifender Läsionen.
Auffallend ist, dass die Veränderungen symmetrisch, z. B. an beiden
Hintergliedmaßen, die häufiger betroffen sind, auftreten oder auch
diagonal beobachtet werden (Abb. 4). In allen Fällen treten die
Veränderungen an der gleichen Lokalisation im oder am Hornschuh auf. Die
vorderen Gliedmaßen sind weniger betroffen, zeigen bei Lahmheit übrigens
ein heftigeres Ausmaß an Schmerzen.
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Abbildung 4. Symmetrische Veränderungen unterschiedlicher Dimension am
gleichen Tier und an der gleichen Lokalisation abaxial in der
Zehenspitze. |
(Foto Pijl)
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Späteres Stadium |
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Die unbekannte Pathogenese einschließlich der Zeitachse schließt nicht
aus, dass sich die Punkte und Streifen zurückbilden, bzw. mit dem
wachsenden Horn abgenutzt werden. Es ist also anzunehmen, dass zwei
Stufen der Erkrankung auftreten und sich die zweite Stufe, mit
klinischen Erscheinungen, nicht unbedingt ergibt. Wenn der Prozess sich
jedoch fortsetzt, ist das Entstehen der schon länger beschriebenen und
diskutierten „non healing claw-lesions“ möglich. Diese englische
Bezeichnung der Krankheit beschreibt die Heftigkeit besser als der
deutsche Begriff „nicht heilende Klauen-Läsion“. Dieses Stadium kann als
zweite Stufe der Pathogenese angesehen werden. Die „non healing
claw-lesions“ zeichnen sich ferner durch einen penetranten Geruch aus,
der als wichtiger Faktor wiederum die Einstufung der Erkrankung
ermöglicht und sich von dem typischen Geruch der Dermatitis Digitalis
unterscheidet. Über das prozentuale Vorkommen dieser Erkrankung
liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor und die Veränderungen sind
auch nicht neu. In der Dokumentation des Autors liegen schon
entsprechende Abbildungen aus dem Jahre 2003 vor. Mittlerweile sind fast
alle Betriebe betroffen mit einer Prävalenz von 2 bis zu 20 Prozent in
einigen Herden. Die Tendenz ist stark steigend. Ob die Läsionen (non
healing) auf eine Therapie ansprechen oder nicht heilend sind, steht
weiterhin zur Diskussion. Gute Erfolge (60 bis 70 Prozent) der
Behandlung werden von dem Autor ohne antibiotische Medikamente erzielt.
Entsprechende Ergebnisse liegen aus wissenschaftlichen Publikationen
vor, die in der Regel mit Hilfe des Einsatzes von Antibiotika erfolgten,
in manchen Fällen mit hoher und wiederholter parenteraler Dosierung von
100 bis 150 oder bis zu 400 Milliliter Antibiotika unterschiedlicher Art
pro Tier und Läsion ohne Verbesserung der Heilungsrate.
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Das klinische Bild |
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Wenn das Krankheitsbild fortgeschritten ist, ergeben
sich bei der klinischen Prüfung charakteristische
Veränderungen. Ein bestialischer Geruch ist häufig schon
wahrnehmbar, bevor die betreffende Klaue aufgehoben
wird. Es riecht nach Verwesung oder „der Tod kommt uns
entgegen“. Die Tiere zeigen einen hochgradigen Schmerz
an den typischen Läsionen, insbesondere dann, wenn die
Veränderungen berührt werden. Der allgemein
beeinträchtige Gesundheitsstatus wird an dem geringen
BCS Status (< 2) sichtbar, der schon vor dem Erscheinen
der klinischen Lahmheit vorliegt. Weniger häufig sind
gut konditionierte Tiere (BCS > 3.5) betroffen. Die
Läsionen an den Klauen treten an verschiedenen
Lokalisationen mit abnehmender Frequenz auf: Weiße Linie
Defekte, axiale Wandfisure, Heel ulcer, Klauengeschwüre
an der typischen Stelle , und Zehenspitze. Abweichungen
von dieser Reihenfolge der Veränderungen kommen zwischen
den Betrieben auch vor. Wenn sich die punktförmige
Läsion an der typischen Stelle fortgesetzt hat, ergibt
sich nach dem Freischneiden oft ein „augenartiges“ (Abb.
5). |
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Zu bemerken ist, dass diese klinischen Veränderungen aus
der Perspektive der üblichen Hornschuherkrankungen
gravierende Abweichungen aufweisen. Bei der ersten
Prüfung scheint in vielen Fällen eine umfassende offene
Läsion an der Lederhaut vorzuliegen.
Nach Entfernen der
überschüssigen Hornschichten verbleibt sehr häufig nur
eine sehr kleine trichterförmige Wunde, die aber im
Ausmaß erheblich variieren kann und nicht immer
Blutungen aufweist.
Beim Abtasten der betroffenen Stelle
mit dem Finger ist eine leichte Wölbung am Übergang von
der Läsion zum gesunden Sohlenhorn spürbar. Spätestens
hier zeigt das Tier eine schmerzhafte Reaktion.
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Abbildung
5: Ausbreitung einer punktförmigen Läsion mit
„augenartigem“ Erscheinungsbild. Es „schaut“ den
Betrachter an. |
(Foto Pijl)
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Die vermehrte Hornbildung lässt den Schluss zu, dass
die Klaue an der betroffenen Stelle sehr gereizt wird
und die Hornbildung zur Proliferation neigt (Abb. 6).
Das unproportionale Hornwachstum verursacht bei
verzögerter Behandlung eine Fehlstellung des betroffenen
Beins. Das klinische Bild ist dann bedrückend, wenn
mehrere Klauen (Gliedmaße) betroffen sind und eine
Entlastung nicht möglich ist. |
(Foto Pijl)
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(Foto
Pijl)
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Abbildung 6: Eine unbeschnittene Klaue mit
überschießender Hornbildung (links) und die gleiche
Klaue (rechts) nach Entfernen des Horns mit einer „non
healing claw-lesion“. |
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Das klinische Bild ist hochgradig ausgeprägt bei
Läsionen an der Klauenspitze (Abb. 7). Der
Entlastungsversuch führt zu einer säbelbeinigen Gangart,
die nur bedingt Erleichterung verschafft, weil der
Schmerz im Gegensatz zu vielen anderen Erkrankungen der
Klaue dauerhaft ist und auch im Liegen weiter besteht.
Der Abrieb in der Spitze wird über die Säbelbeinigkeit
erheblich gebremst und das Wachstum nimmt
außergewöhnliche und unproportionale Ausmaße an. Ablegen
bedeutet keine wirksame Entlastung und das erneute
Aufstehen verursacht vermehrten Schmerz, der beim
Stehenbleibt. Hinzu kommt, dass das Fortschreiten der
Erkrankung zügig verläuft und das klinische Bild sich
praktisch von Tag zu Tag verschlechtert. |
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Abbildung 7. Beide Zehenspitzen sind betroffen und
verursachen eine hochgradige Lahmheit. |
(Foto
Pijl)
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Therapie |
Die Überproduktion des Horns lässt sich nur durch einen
entsprechenden Klauenschnitt korrigieren. Das Anbringen
eines Klotzes oder eines Verbandes in unterschiedlicher
Ausführung bringt in der Regel keine dauerhafte
Verbesserung, da die Schmerzen weiter bestehen.
Spezifische Komplikationen ergeben sich durch die
Lokalisation. Wenn die Weiße Linie betroffen ist,
ergeben sich zusätzliche Schwierigkeiten, das
unterminierte Horn komplett zu entfernen. Bei erneuter
Prüfung zeigt sich eine Distanz von einem oder sogar
mehreren Millimetern zwischen Horn und (Leder-)Haut.
Sehr häufig ist dies der Fall. Nach einer gewissen Zeit
kann auch eine positive Veränderung an der Lederhaut
wahrgenommen werden. Häufig sind leider um die Läsion
weitere Wucherungen unter der Hornschicht zu
registrieren. Nur der Fingertest im Sohlenbereich kann
hier Auskunft geben. Bei Wandläsionen ist eine
Fingernagelprobe besser geeignet. Trotz dieser
zusätzlichen Prüfung ergibt sich keine absolute
Sicherheit. Es lässt sich nicht abschätzen, in welche
Tiefe die Läsion bis zur Lederhaut vorgedrungen ist. Bei
einem vorsichtigen Abtasten der nackten Lederhaut kann
eine Verdickung festgestellt werden. Leider lässt diese
Prüfung keine absolut sichere Aussage zu, in welcher
Schicht noch Reste der Läsion vorhanden sind. Liegen
weiterhin Veränderungen vor, wird es nicht zur Abheilung
und Schließung des Sohlen-Wandhorns kommen. |
Wie schon erwähnt, müssen alle unterminierten Wand- und
Hornbereiche abgetragen werden, damit eine Heilung
möglich ist. Es empfiehlt sich, sogar ein Teil der
erkrankten Lederhaut abzutragen und bei der
chirurgischen Korrektur nicht zu vorsichtig zu handeln.
Für den Außenstehenden vermittelt dieses Vorgehen eine
relativ brutale Art der Therapie. Es bedeutet, dass der
handwerklichen Klauenkorrektur hohe Priorität zukommt,
auch um den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren. Diese
Schlussfolgerung hat sich aufgrund persönlicher
Erfahrung ergeben. Wenn die Läsion nicht durch
entsprechende Klauenschnitte komplett erfasst wird,
unterbleibt eine Abheilung. Der Erfolg einer guten
handwerklichen Korrektur wird verstärkt durch ein
antibiotisches Spray. |
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Abbildung 8. Eine stark gereizte Läsion infolge
eines wiederholten Fußbades mit hoher Reizwirkung auf
die Entzündung. |
(Foto_Pijl)
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Diese Wirkung kann positiv unterstützt werden durch die
Anwendung der Nova Derma Salbe. Der Verband sollte
rechtzeitig nach drei Tagen entfernt werden.
Die üblichen Klauenbäder (Formalin und Kupfersulfat)
sollten wegen der hohen Reizwirkung nicht zur Anwendung
kommen, weil sie zur Heilung nicht beitragen und häufig
das Gegenteil bewirken.
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(Foto Pijl)
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Nach zwei Wochen und nach einem weiteren Monat
sollte die Läsion erneut kontrolliert und, wenn es nötig
ist, erneut behandelt werden. Sprich: loses Horn in und
um die Läsion muss komplett entfernt werden. Diese
Kontrolle bzw. Nachbehandlung kann zu einer kompletten
Heilung beitragen. Es muss jedoch klar sein, dass eine
Heilung im Sinne von „Restitutio ad integrum“, wie sie
von anderen Klauenerkrankungen bekannt ist, in der Regel
nicht erfolgt. Ein Therapieerfolg liegt dann vor, wenn
die Lederhaut wieder mit nachwachsendem Horn bedeckt
wird, das sich in der Struktur vom übrigen Horn
unterscheidet, jedoch den notwendigen Schutz bietet.
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Abbildung 9. Die laterale Klaue ist nach einer
umfangreichen Läsion wieder ausgeheilt. Die Spitze des
Knochens ist verschwunden und wieder geschlossen mit
einer neu gebildeten Hornschicht. |
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Nicht in jedem Fall kann im Sinne einer vollständigen
Heilung geholfen werden. Regelmäßige Kontrolle und
Behandlung erlauben eine weitere Nutzung der Milchkuh
trotz bestehender Schmerzen. Wahrscheinlich ergibt sich
eine gewisse Gewöhnung. Eine weitere praktische
Beobachtung muss einbezogen werden. Tiere mit einer
heftigen Läsion zeigen auch nach einem Zuwachsen der
Läsion und scheinbarer Heilung phantomartige Schmerzen. |
Unterbleibt eine rechtzeitige Behandlung, schreitet die
Veränderung fort, ergreift die Lederhaut und verursacht
Knochenveränderungen. Eine Therapie ist in diesem
Stadium praktisch nicht mehr möglich (Abb. 10). Es ist
übrigens nicht ausgeschlossen, dass sich auch hier eine
geschlossene Schutzschicht bildet, wenn die zugrunde
liegenden Veränderungen nachhaltig entfernt worden sind.
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(Foto Pijl)
Abbildung 10. Die Läsion der Klauenspitze hat sich bis
in den Knochen fortgesetzt. Eine Heilung mit der Bildung
einer neuen Schutzschicht ist nur dann möglich, wenn
alle Wucherungen sorgfältig beseitigt worden sind.
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Diskussion |
Als Folge der raschen Zunahme der Milchleistung nach
der Geburt ergibt sich bei unzureichender Futteraufnahme
(Output >> Input) eine negative Energiebilanz (NEB) von
2 bis3 Monaten postpartum. In dieser Phase wird die
höchste Milchleistung beobachtet und die nächste
Trächtigkeit beginnt. Die hormonellen Veränderungen –
Anstieg des Wachstumshormons, Verringerung der
Insulinkonzentration und Insulinresistenz und Abnahme
des insulinähnlichen Wachstumsfaktor 1 – verursachen
einen Anstieg der freien Fettsäuren, der Ketonkörper und
eine Abnahme der Glukosekonzentration im Blut. Es ist
aus in vitro Untersuchungen bekannt, dass Insulin das
Hornwachstum der Klauensohle fördert. In dieser Phase
treten die sogenannten Produktionskrankheiten wie
Ketose, Mastitis, Labmagenverlagerung, und
Fruchtbarkeitsstörungen auf. Die bekannten Erkrankungen
der Klaue sind hier direkt oder indirekt einzuordnen,
sowie die o.a. Punkte und Streifen. Der Bezug der o. a.
Veränderungen zum Stoffwechsel bzw. zur NEB lässt sich
aus der statistischen Korrelation zwischen
Klauenerkrankungen und geringen BCS Werten ableiten.
Die beschriebenen Veränderungen mit Punkten und
Streifen und deren pathophysiologische Konsequenzen sind
dem Autor seit Jahren aus der praktischen Arbeit
vertraut, ohne befriedigende Erklärung der möglichen
Ursache(n). Die weiterhin unbekannte Ursache lädt zu
Spekulationen ein. Eine Insulinresistenz der Milchkuh in
der frühen Laktation ist seit Jahren bekannt und muss
zunächst als physiologisch angesehen werden. Sie sollte
aber in die Diskussion aufgenommen werden, da sich
abzeichnet, dass neben der Infektion auch der
Stoffwechsel als Ursache von Klauenerkrankungen
angesehen wird. Bekannt ist auch das allgemeine
Entzündungsgeschehen der Milchkuh in diesem
Laktationsabschnitt.
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nsulinresistenz und Entzündungen sind beim Menschen mit
Diabetes Typ 2 ein verbreitetes klinisches Bild:
Entzündungsgeschehen treten an den Beinen und Füßen
(Zehen) auf. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt sehr
spekulativ, entsprechende Vergleiche anzustellen. Die
Parallelen sind jedoch verblüffend (Abb. 11). |
Abbildung
11. Die Veränderungen am Fuß des Menschen mit Diabetes
Typ 2 weisen bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit den
„non-healing claw-lesions“ auf.
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(Foto Pijl)
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Schlussfolgerung |
Die beschriebenen Veränderungen, Punkte und Streifen
und deren mögliche Pathogenese mit gravierender
Lederhautentzündung oder. auch unter Beteiligung des
Klauenknochens erfordern eine sorgfältige Kontrolle bei
der üblichen Klauenpflege und eine umfassende Korrektur,
wenn die Lederhaut etc. entzündlich verändert ist. Der
Heilungsprozess ist möglich, erfordert aber in der Regel
eine wiederholte Kontrolle. Wenn die Wahrnehmung der
Veränderungen und die erforderliche Intervention
unterbleiben, erfolgt ein unfreiwilliges und zu frühes
Ausscheiden. Der klinische Heilungsverlauf unterscheidet
sich damit entscheidend von der der Dermatitis
Digitalis, die in unkomplizierten Fällen gut auf
Therapieeingriffe anspricht. Landwirte berichten bei
Tieren in der zweiten Stufe der Erkrankung in vielen
Fällen von einem frühzeitigen Abgang oder die Tiere
werden bewusst nicht mehr belegt. Zum Schluss noch
zwei Bilder, auf denen auch innerhalb der Klaue zu
erkennen ist, dass „das Leben“ verdrängt wird. |
(Foto Pijl)
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(Foto Pijl)
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Bildergalerie mit weiteren möglichen Variationen
und Lokalisationen |